Marseille, mon Amour - Ein Wochenende in der Hafenstadt

Marseille, mon Amour - Ein Wochenende in der Hafenstadt

Die französische Hafenstadt wirft ihren rauen Ruf ab und entwickelt sich zu einem Zentrum für ambitionierte Kultur- und Kulinarikangebote.

Keine Stadt spaltet die Franzosen so sehr wie Marseille. Während die einen von der sonnengewärmten See, den schroffen Küsten, der fischreichen Bouillabaisse und dem mediterranen Schmelztiegel schwärmen, beklagen andere Korruption und dreckige Strassen. Wo die Befürworter eine selbstbewusste, unprätentiose Metropole sehen, bemängeln Kritiker einen Mangel an Raffinesse.

Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass sich Marseille im Wandel befindet. Umfangreiche Stadterneuerungsprojekte haben die Uferpromenade in eine moderne Landschaft aus Kulturzentren, Einkaufsmeilen und Wolkenkratzern verwandelt. Zugleich erobern innovative saisonale Küche und unabhängige Modeboutiquen die Stadt, was ihr eine neue Coolness und Anziehungskraft verleiht. Während einige bedauern, dass Marseille seinen unverwechselbaren Arbeitercharakter und südfranzösische Seele verliert, feiern andere die Stadt als moderner, ambitionierter und lebendiger denn je.

Wir haben uns mit MRSÉY nicht nur im Namen inspirieren lassen, sondern genauso von ihren Mediterranen Multi-Kulti Einflüssen und Gegensätzen. Unsere Tips für ein inspirierendes Wochenende in Marseille:

Freitag

Das zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert erbaute Fort Saint-Jean wurde restauriert und als öffentlicher Raum neu konzipiert. Seine Bastionen, Türme und Dachgärten bieten beeindruckende Ausblicke auf das tiefblaue Meer und das Panorama der Stadt, von der postmodernen Villa Méditerranée bis zu den neobyzantinischen Kirchen des 19. Jahrhunderts: der Basilika Notre-Dame de la Garde und der Cathédrale Sainte-Marie-Majeure.

Eine Fussgängerbrücke verbindet Fort Saint-Jean mit dem dramatisch wirkenden, würfelförmigen Museumsbau des MuCEM. Das Meer hat Marseille geprägt und trug die griechischen und römischen Siedler heran, die die ersten Steine des antiken Massilia legten. Mit dem MuCEM hat die Stadt diesem Erbe ein beeindruckendes Museum gewidmet.  Die Dachterrasse und die gläsernen Laufstege bieten spektakuläre Ausblicke.

Das Panier-Viertel, ein Labyrinth aus engen Kopfsteinpflasterstrassen, kleinen Plätzen, bietet kulinarische Klassiker aus dem Mittelmeerraum. Starte mit einer dünnen, knusprigen Pizza (Sardellen oder Käse) im lebhaften Chez Etienne, das seit 1943 von sizilianischen Einwanderern geführt wird.

Danach ins Ripaille gleich nebenan für ein Abendessen. Hinter der himmelblauen Fassade kocht ein diverses Team moderne mediterrane Küche: Ajo blanco (kalte Brotkrumensuppe) mit eingelegten Zwiebeln und Wassermelonenwürfel, grüne Bohnen mit Petersilie, gepimpt mit knusprigen Semmelbröseln und geriebenem Bottarga, Boles de Picolat nach Roussillon-Art, (Schweinefleischbällchen in einem Ragout aus Tomaten, Kartoffeln und Oliven) und zum Dessert eine Nektarinen-Aprikosen-Torte.

Übernachtet wird heute in einem der vier Zimmer im La Relève auf der anderen Seite des alten Hafens. Davor lassen wir den Abend in der Bar gleich um die Ecke ausklingen. Das Gaspard, eine winzige, holzverkleidete Bar, die Spezialitäten wie "La Sieste de Shiva" (Whiskey, Chai-Gewürze und Ananas) serviert – eine süss-saure Köstlichkeit.

Samstag

Den ersten Fix Koffein holen wir uns im Razzia. Das Croissant bekommen wir gleich nebenan in der Boulangerie PAIN PAN! Damit setzen wir uns an den Fontaine du Cours Julien bei Notre-Dame du Mont und schauen dabei zu, wie die Grossstadt langsam erwacht.

Auf dem Weg zurück nehmen wir die Escaliers du Cours Julien. Nicht nur die Treppe ist voll mit immer wechselnden Graffiti, auch die angrenzenden Gebäude dienen als Leinwand für Street Art. Solltest du an einem Tag unter der Woche hier sein, geh vorbei im Restaurant Limmat – genau wie MRSÉY – gegründet von einer Schweizerin, die hier mit ihrem Lebensgefährten nicht nur Schweizer und Französische Küche, sondern ganz gelassen täglich wechselnde Mediterran gemischte Gerichte auftischt.

Wer am Wochenende Unterwegs ist läuft ein paar Schritte weiter zurück in Richtung alter Hafen. Dort gleich am Place Thiars mit seinem brutalistischen Brunnen liegt das Bistro Coquille. Da können wir aus der gesamten Palette des Meeres auswählen: Saint-Jacques Carpaccio, Moules marinières, Merlu rôti (grillierter Hechtdorsch) und Sardines Marinées.

Nach diesem Lunch benötigen wir eine kurze Pause. Diese gönnen wir uns unter den Bäumen im Parc Pierre Puget, von wo aus wir den Aufstieg hinauf zu einem weiteren Wahrzeichen Marseilles in Angriff nehmen: Der Weg zur Basilisque Notre-Dame de la Garde lohnt sich nicht nur wegen der weiten Sicht über die Hafenstadt vom höchsten Punkt der Stadt (149m) oder der Neobyzantinischen Architektur der Kirche, sondern was dahinter liegt: 

Das kleine Quartier Vauban ist der beste Beweis, dass die kulinarische Szene in Marseille in den letzten zehn Jahren eine kleine Renaissance erlebt hat. Im Figure bekommt man “Tapassiettes” vom feinsten: Griechischer Tarama in grünem Öl, kandierte Karotten mit Algenkonfitüre und Muschelpickles, Dauphine-Kartoffeln mit Aprikosenketchup und Kräutermayo, Olivenwurst in Kalbsjuskompott, gewürzt mit Pfeffer und Pfeilwurz, mit Spinatsprossen und gegrilltem Mais. Ein Geschmacksfeuerwerk für den Abend, bevor man glücklich und gefüllt den Hügel zurück zum Hafen hinunterrollt.

Sonntag

Die Markenzeichen der Innovation sind unverkennbar: Reihen von vertikalen Pfeilern, die das Betongebäude über dem Boden schweben lassen, horizontale Fensterbänder und leuchtende Primärfarben, die die graue Fassade auflockern. Massiv und modernistisch – die Cité Radieuse könnte nur aus dem visionären Geist von Le Corbusier stammen. Der bahnbrechende Schweizer Architekt blickte bereits in den 1940er- und 1950er-Jahren in die Zukunft, als der Brutalismus noch als avantgardistisch galt. Seit 2016 als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt, umfasst das Gebäude mehrere öffentlich zugängliche Bereiche, darunter die Dachgalerie MAMO (nur im Sommer geöffnet), eine neue Buchhandlung sowie das 21-Zimmer Hotel Le Corbusier.

Am Mittag wagen wir uns etwas weiter hinaus, entlang der Küste zum Tuba Club, gleichzeitig Hotel, Restaurant und Beach Club. Im Bikini, Club-eigenen Restaurants mit Ägäische Terrasse, Tische in der Sonne, Blick auf das blaue Meer gönnen wir uns eine Pause vom Trubel der Grossstadt und gönnen uns nach der obligaten Portion Venusmuscheln mit weissem Wermut ein hauseigenes Eis mit Vanille- oder Pistaziengeschmack.

Wer noch einen Abend mehr bleibt, schliesst diesen im Restaurant SÉPIA ab. Der Küchenchef Paul Langlère, ein Veteran einiger gastronomischer Tempel von Alain Ducasse, hat eine stillgelegte Snackbar in eines der angesagtesten Restaurants Marseilles verwandelt. Auf einem grünen Hügel gelegen, bietet der schlichte, industriell-coole Speisesaal mit seinen Aussentischen einen atemberaubenden Blick auf die funkelnde Stadt. Das ständig wechselnde Menü setzt auf frische Zutaten und kreative Zubereitungen. Bei unserem Besuch gab es geräuchertes Makrelenfilet mit spritzigem Zitrusgeschmack, Rote-Bete-Spaghetti und gewürfeltem Apfel und Meerrettich-Joghurt, gefolgt von einem dicken Filet Mignon geröstetem Seetang für eine knackige, rauchig-salzige Note.

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